Langeweile ist weder gut noch schlecht
Langeweile ist weder gut noch schlecht | Warten in einer deutschen Behörde | Bild: © Martin Bornemeier

Langeweile ist weder gut noch schlecht

Langeweile ist weder gut noch schlecht. Sie erinnert uns daran, dass der Mensch ein kreatives Wesen ist. Kreativität braucht Langeweile.

Langeweile ist weder gut noch schlecht. Ich kenne diese Tage: Ich habe Zeit, aber keine Lust, irgendetwas zu tun. Es ist nicht immer die Depression, die mich herunterzieht. Manchmal ist es einfach ein Gefühl zwischen Gefangenheit und Sinnlosigkeit. Mir fehlt ein Anschub, eine Initiative, die von außen kommt.

Ich könnte so viel machen mit meiner Zeit! Während eines Jobs hatte ich immer das Gefühl, dass mir die Zeit geraubt wird und meine Ideen keinen Raum haben. Ich hatte zwar mehr oder weniger etwas Geld, aber nicht das Gefühl, damit voranzukommen.

Wenn ich an einem solchen Tag auf die vergangenen Tage zurückblicke, dann kann ich auch nicht sagen, dass ich nichts erreicht habe. Oft habe ich viele neue Dinge angestoßen, Aufgaben erledigt oder für Phasen der Langeweile passende Lösungen gefunden.

Absolut keine Lust

Dennoch kommt dann wieder so ein Tag, wo nichts geht. Keine Lust zu lesen, zu spielen, zu schauen oder Sport zu machen. Keine Lust auf Kochen oder etwas in der Wohnung zu machen. Auch andere Menschen habe ich schon angerufen. Die meisten sind in ihren Leben eingebunden und ich will sie dabei eigentlich auch nicht stören und sie mit meiner Langeweile nerven.

Gleichzeitig habe ich Angst anderen zu erzählen, dass ich Langeweile habe. Ich will von anderen auch keine Tipps bekommen, was ich mit dieser Zeit machen soll. Für mich hängen die gefühlten Zustände „Langeweile“ und „Tatendrang“ zusammen. Ich habe in meinem Leben immer wieder nach Optionen gesucht, Chancen genutzt, Bequemlichkeiten überwunden und Ideen entwickelt.

Wenn ich dann von einer Idee begeistert bin, habe ich oft sofort angefangen, etwas davon umzusetzen. Ich habe Pläne, To-Do-Listen und tägliche Aufgaben, die mich meinen Zielen näherbringen (sollen). Und dann kommt wieder so ein Tag, wo es gefühlt nicht weitergeht und ich erstmal nichts weiter tun kann.

Langeweile ist keine Depression

Langeweile ist etwas anderes als Depressionen oder Enttäuschungen. Ich kenne alle drei. Grund genug mich einmal mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten dieser Begriffe und den Gefühlzuständen, die mit ihnen einhergehen, auseinanderzusetzen.

Bei der Langeweile ist häufig das Problem, dass selbst Ideen und Vorschläge für Beschäftigungen ein Gefühl der Unlust hervorrufen. Die Erklärung dazu liegt bereits im Begriff verborgen. Es geht um eine „lange Weile“.

Die Langeweile ist eine Beschreibung eines anhaltenden Moments. Momente sind eigentlich kurze Augenblicke, wie z.B., wenn man mal irgendwo fünf Minuten auf etwas warten muss. Diese fünf Minuten erleben wir Menschen nicht unbedingt als Zeitverschwendung. Die Zeit ist zu kurz, um sie effektiv nutzen zu können.

Der Mensch ist ineffizient

Bei der Langeweile hält dieser Moment gefühlt ewig an. Die Langeweile erinnert uns daran, dass wir mit Unendlichkeit in Zeit und Möglichkeiten überfordert sind. Die Langeweile als anhaltender Moment ist mit Blick auf die Zeit wie ein Schlaf am Tag. Die Zeit kann nicht genutzt werden.

Diese nicht genutzte Zeit ist allerdings keine verschwendete Zeit. Langeweile ist ein anderer Zustand des Menschen in der Zeit. Man könnte sagen – auch wenn die Uhr weitergeht – dass die Zeit während der Langeweile auf einen Moment begrenzt ist.

Der Mensch braucht die Langeweile, weil er kein effizientes Wesen ist. In der Langeweile macht er Begegnung mit der Unendlichkeit, welche er für seine Kreativität benötigt.

Kreativität und Enttäuschung

Langeweile ist nicht der Grund für Kreativität. Kreativität wird durch Probleme provoziert. Langeweile ist wie eine Bürgschaft für die Kreativität. Die Probleme entstehen in der Begegnung mit der Unendlich- und Grenzenlosigkeit.

Wenn wir uns jetzt mal im Vergleich dazu der Enttäuschung zuwenden, dann sind Enttäuschungen wiederum Momente, die am Ende einer kreativen Phase auftauchen. Man wird in seiner Idee enttäuscht, die man hatte, um ein Problem zu lösen.

Mit Problemen sind dabei nicht nur technische Herausforderungen gemeint. Probleme sind auch – ganz biologisch betrachtet – Hunger, Durst oder auch Fortpflanzung. Um diese Probleme zu lösen, wird der Mensch kreativ. Er sucht sich Arbeit, um das Problem nach Hunger und Durst zu lösen. Er entwickelt eine Identität, um als Partner Anerkennung zu finden.

Wenn die kreativen Einsätze eines Menschen zur Lösung eines Problems nicht erfolgreich sind, dann kommt die Enttäuschung. Der Mensch war von seinem kreativen Einfall überzeugt, dass dieser das Problem lösen wird. Der Mensch muss sich mit seiner Kreativität täuschen, um nicht im problematischen Zustand zu verharren.

Kreativität als Täuschungsmanöver

Kreativität ist demnach ein Täuschungsmanöver. Bei erfolgreicher Überwindung des Problems ist diese Täuschung geglückt. Sie bleibt allerdings eine Täuschung, auch, wenn am Ende der Erfolg steht. Menschen, die sich dem Täuschungsmanöver bewusst sind, sind kritisch. Und das unabhängig von Erfolg oder Misserfolg der Täuschung.

Ebenfalls nicht negativ betrachte ich das Scheitern bei der Problemlösung. Wenn der kreative Einfall nicht zum Erfolg führt, wird der Mensch seines Täuschungsversuchs bewusst. Es kommt zu einer Ent-Täuschung. Ich stelle fest, dass nur das Aufdecken der Täuschung einen Erkenntnisgewinn hervorbringt.

Wenn die Täuschung zum Erfolg führt, dann wird dieses Manöver – ohne Kritik – nicht mehr hinterfragt. Was man aber wissen muss, ist, dass dieser Erfolg nur eine Fortführung der Begegnungsfähigkeit mit der Unendlichkeit bedeutet.

Kritikfähigkeit

Eingeschränktes Bewusstsein, fehlende Kritikfähigkeit oder aus Angst vor Unendlichkeit – letztendlich die Angst vor dem Tod – lassen den Menschen denken, dass es keine Täuschung bei der Problemlösung gegeben hat. Wer hier an negative Theologie denkt, hat durchaus ein gutes Verständnis von meinen Ausführungen.

Ein Mensch mit wenig selbstkritischem Bewusstsein will seine Täuschung aufrechthalten. Denn die Täuschung ermöglicht ihm das Sein im Jetzt und schiebt die Unendlichkeit und damit auch die Angst vor dem Tod weit von sich.

Philosophisch betrachtet ist für mich diese Haltung – Zustandserhaltung – ein erkenntnistheoretischer Betrug. Eine kreative Lösung für ein Problem bedeutet nämlich keinen Erkenntnisgewinn. Wie ich oben bereits beschrieben habe, kann die Erkenntnis nur durch die Ent-Täuschung eintreten, da bei Erfolg die Täuschung erhalten bleibt.

Die Enttäuschung ist die Offenbarung – der Erkenntnisgewinn – über die Unendlichkeit, also ein Moment, der es dem Menschen ermöglicht in der Unendlichkeit Zeit zu haben, also zu sein.

Glück

Kreative Menschen neigen zu Langeweile. Enttäuschte Menschen neigen zu Kritik, da sie Erfahrungen mit Täuschungen haben und diese durchschauen. Wenn eine Lösung – um in der Zeitlichkeit zu bestehen – gelingt, dann ist das mehr oder weniger Zufall. Der Mensch spricht von Glück.

Als kreativer und kritischer Mensch habe ich durch meine Erfahrungen mit meiner Kreativität und meinem kritischen Denken das Gefühl von fehlendem Glück über viele Jahre verinnerlicht. In der Mischung macht das für mich – zumindest in philosophischer Hinsicht – die Grundlage von Depression aus. Das fehlende Glück wird in meiner Depression aus der Erkenntnis von Täuschung und Enttäuschung im Bewusstsein als Sinnlosigkeit im Rückgriff auf meine Kreativität empfunden.

Allgemein kritisiere ich deshalb den Zustand, dass die Eigenverantwortlichkeit vor der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung im Umgang mit Depressionen gestellt wird. Explizit betone ich aber das Ergreifen aller Chancen in der Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit Depression.

Langeweile ist weder gut noch schlecht

Auch wenn die Übergänge von Langeweile, Depression und Enttäuschungen fließend sind, bin ich tendenziell dazu geneigt, Depressionen als eher negativ, Enttäuschungen als eher positiv und Langeweile als eher neutral einzuordnen.

Dieser Text entstand in einem anhaltenden Moment der Langeweile. Erfolg setzt eine Täuschung voraus, die in der Kreativität zur Problemlösung ihren Anfang nahm. Langeweile bürgt für die Kreativität, da der Mensch kein effizientes Wesen ist. Der Mensch als effizientes Wesen wäre nicht kreativ, weil ihm ohne Begegnung der Unendlichkeit kein Anlass zur Kreativität gegeben wäre.

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